Alle Beiträge von Marcus Marschalek

Werben um frauJEDERmann

20.000 Flyer haben wir gedruckt und ein paar große Plakate. Es ist gar nicht so leicht den Menschen im Grätzl die Info zukommen zu lassen, dass es den Rodauner Theaters Sommer mit gleich zwei tollen Theaterproduktionen gibt. Helft uns doch bitte in bisschen mit und macht frauJEDERman und den Sommernachtstraum publik! Flyer hätten wir noch genug!

Endlich auf der Bühne

(Marcus Marschalek, 10. Sept. 2021)

Wie wird es sein, endlich auf dem Platz zu Spielen, an dem der Text vor 110 Jahren geschrieben wurde? Es war überwältigend! Wir haben frauJEDERmann nach drei Jahren Vorbereitungszeit auf die Bühne gebracht. Alle unsere Vorstellungen waren ausverkauft. Unser Publikum war begeistert, die Presse gratulierte uns. Wir alle vom frauJEDERmann Team sind überglücklich!

Frauenpower vor der Bergkirche – das Foto-Shooting

(Marcus Marschalek, 5. Juli 2021)

Das wir zu Ferienbeginn noch einen Termin zustande bekommen, an dem alle sechs FRAU JEDERMANN Darstellerinnen unseres großen Teams Zeit haben, grenzt an ein Wunder und ist Peta Klotzberg zu verdanken, die diesen Termin organisiert hat.

Aber warum haben wir sechs FRAU JEDERMANN Darstellerinnen? Der Jedermann steht eben für jede und jeden, keiner soll sich da ausnehmen. Der Stoff des „Jedermann“ geht uns alle an. Da aber über Jahrhunderte die Frauen immer bei den Männern mitgemeint waren, machen wir es nun in Rodaun konsequent anders. Bei uns spielen die Frauen und die Männer sind mitgemeint.

Aus dem reichen Herrn Jedermann, wird bei uns die geschäftstüchtige und erfolgreiche Frau Jedermann. Drei Schauspielerinnen geben von Szene zu Szenen die Rolle weiter und verleihen Jedermann unterschiedliche Facetten ihres Charakters. Und da wir, um ausfallssicher zu sein, jede Rolle doppelt besetzt haben, gibt es bei uns Jedermann in sechsfacher Ausführung. Geballte Frauenpower auf dem Rodauner Kirchenplatz!

It’s done – Vorpremiere ging über die Probenbühne

(Marcus Marschalek, 25. Juni 2021)

Das Lampenfieber spüren. Eine wichtige Erfahrung und der nächste Schritt in unserem Projekt. Als Aufführungsort wurde uns die Pfarrkirche in der Schreckgasse zur Verfügung gestellt. Mit ein paar kleinen Umbauarbeiten kann man aus dem Kirchenraum einen tollen Theatersaal machen. Etwas Stress haben wir dann bekommen, weil unsere Scheinwerfer leider nicht das gemacht haben, was sie hätten tun sollen. Also haben wir Freunde und Bekannte angerufen und Rat eingeholt.

Martin Cargnelli war dann, wie so oft, unser Retter! Mit seinen Kabeltestgeräten und DMX-Prüfern konnten wir zwei Fehler im Aufbau und ein kaputtes Kable finden. Das unkontrollierte Blinken und Zucken des Lichts hat damit ein Ende genommen. Allerdings blieb dann nicht mehr viel Zeit, die einzelnen Szenen schön durchzuprogrammieren. Einen ersten Eindruck, welche Kraft Licht hat, um Stimmungen auf der Bühne zu verstärken, haben wir aber dennoch bekommen.

Und dann war es auch schon so weit. Unser Vor-Premierenpublikum war da und gespannt auf das, was wir zeigen. Auch wir waren gespannt und aufgeregt. Jedes unserer zwei Teams hat einmal gespielt. Und es hat gut geklappt. Jetzt wissen wir, wir schaffen das! Günter Sadek-Sonnenberg hat für uns alles mitgefilmt und nun geht es an die Analyse. Auch haben wir viel Feedback von unserem kritischen Vor-Premierepublikum bekommen. Zwei Monate noch, dann ist es soweit, dann steht frauJEDERmann auf der Open-Air-Bühne vor der Rodauner Bergkirche.

Die erste Durchlaufprobe

(Marcus Marschalek, 20. Juni 2021)

Wir habe es geschafft und frauJEDERmann von Anfang bis Ende durchgespielt! Die erste Durchlaufprobe ist absolviert. Es sind bewegende Momente, wenn die Ideen plötzlich auf der Bühne sichtbar werden.

Susanne Zrzavy / DÜNNE COUSINE und Alice Zach / SCHULDNERS WEIB, Peta Klotzberg und Johanna Hoblik / FRAU JEDERMANN

Etwas mehr als zwei Stunden dauert ein Durchlauf. Dazwischen gibt es 30 Minuten Pause, bei der wir unser Publikum zur Tischgesellschaft der FRAU JEDERMANN einladen.

Annemarie Rammel (kleines Foto links) serviert als GEFOLGSCHAFT für die TISCHGESELLSCHAFT mit Stephanie Amsüss / DICKE COUSINE, Roland Stumpf und Eddy Schlager / GÄSTE. Marcus Marschalek (kleines Foto mitte) ist Teil des Regieteams. Christa Korlath spielt die ARME NACHBARIN (kleines Foto rechts). Eddy Schlager malträtiert als BEAMTER Gerhard Zach als ARMEN SCHULDNER.

Geprobt wurde im großen Turnsaal der Mittelschule St. Elisabeth, am vermutlich heißesten Wochenende im Jahr 2021. Doch wir waren tapfer und haben geschwitzt und alle Szenen in vollem Kostüm gespielt.

Stefanie Pauly / FRAU JEDERMANN und Katja Lee als GUTE WERKE.

Elisabeth Lederer als MAMMON

Wie ein Mosaik …

(Marcus Marschalek, 30. Mai)

Mehr als ein Jahr haben wir online geprobt oder uns nur in Kleinstgruppen getroffen. Szene für Szene wurde so erarbeitet. Der Blick über das Ganze fehlte aber. Nun aber war es endlich soweit. Erstmals haben wir an einem Probenwochenende die einzelnen Szenen zusammengesetzt. Wie in einem Mosaik, Steinchen für Steinchen, entsteht nun endlich aus den vielen Szenen ein Theaterstück. Erstmals haben wir in chronologischer Reihenfolge frauJEDERmann Kapitel für Kapitel durchgearbeitet.

Die Spannung war groß, ob die Teile zusammenpassen, ob Kulissen und Requisiten an den richtigen Orten auf der Bühne stehen, ob die Stimmungen der Schauspielerinnen und Schauspieler am Ende einer Szene zu den Stimmungen der Darstellerinnen und Darsteller am Anfang der nächsten Szene passen.

Soviel dürfen wir verraten: Es hat geklappt. Es gibt keine Hindernisse, die unüberwindbar wären. Für viele von uns war dieses Probenwochenende ein sehr erhebender Moment. Und obwohl wir alle täglich 12 Stunden FFP2 Maske tragen mussten und dadurch ein voller und langer Probentag noch anstrengender wurde, als er ohnehin schon ist, gehen wir dennoch mit mehr Energie auf die Aufführung zu, als wir noch vor diesem herausfordernden Wochenende hatte. frauJEDERmann wird etwas ganz besonderes, davon sind wir überzeugt!

Wir nehmen wieder Fahrt auf!

(Georg Fiala, 20. Februar 2021)

Im Projekt frauJEDERmann nehmen wir erneut Fahrt auf. Zunächst noch etwas unsicher, gewissermaßen in kleinen digitalen online Schritten. frauJEDERmann online? Proben wir tatsächlich noch dasselbe Stück wie vor Corona? Als hätte sich im letzten Jahr nichts, und zwar einen neuen Grund legend, verändert? Das reale Leben zum Schutz von Lebensjahren möglichst auf vier Wände beschränkend, maskenbewehrt, feiert jetzt die virtuelle Welt immer mächtiger Auftritte, wie es scheint. Und wir? Wollen wir, können wir realiter zurück auf unsere alte analoge Bühne? 

Von März 2020 bis Februar 2021 hat sich frauJEDERmann digitalisiert. Onlinemeetings, Onlineproben, Onlineparty!

Gesetzt den Fall, dass die einjährige Furcht bald „weggeimpft“ sein wird; welcher Zuschauer würde sich in diesem Fall, wie vor dem Fall noch, motiviert vor eine analoge Bühne ohne digitale Aufmachung setzen wollen? Noch ist es nicht mehr als eine schmale Hypothese; aber hat sich an unserer Zivilisation nicht innerhalb des letzten Jahres eine bahnbrechende Veränderung ereignet? Die wir erst in Analogie vom Sterben der reichen frauJEDERmann – im Spiel nun – neu zu verstehen lernen müssen? Und wenn ja, müsste diese Veränderung nicht auch unsere Inszenierung grundsätzlich neu herausfordern? 

Es ist zu früh, sogleich mit gut gemeinten Vorschlägen zu kommen. Dennoch sollten wir uns offen und eingehend darauf einlassen, wie das Geschehen der Pandemie in unserem Stück deutlicher Ausdruck finden könnte. Theater ist lebendig. Zeitgemäß und niemals unverändert von einer Aufführung zur nächsten, von einer Interpretation zur anderen, von der einer Rezeption zu einer weiteren. 

Katharina Sponner (DICKE COUSINE) bei einer Onlineprobe

Im klassischen antiken Theater gab es die innovative Vorrichtung des deus ex machina. Wenn es im Spiel auf der Bühne zu tragischen, ausweglosen Situationen kam, dann griffen (meist) Götter als Figuren unvorhersehbar ins Spiel ein, die mittels eines Kranes hinter den Bühnenbauten auf das Proszenium gehievt wurden. Um dem Geschehen eine gänzlich neue Wendung zu geben. 

In Analogie wäre es in unserem Stück der BOT, der „in den heiteren Himmel“ frauJEDERmanns wie ein deus ex machina einbricht, indem er sich zum TOD wandelt, wie ein unscheinbarer Virus in den alles vereinnahmenden Covid-19. Gehört nicht gar eine zusätzliche, allegorische Spielfigur COVID zu unserem Spiel vom Sterben? Als stummer Zeuge? COVID ikonisch und provokant: ein BOT? Kaum kommt der TOD auf der Bühne frauJEDERmann näher verliert sie ihren Atem. Sollte dieser Umstand nicht einen noch viel stärkeren Bezug in unserem Stück zur aktuellen Situation nehmen?

Vielleicht wären nur einige wenige inszenatorische Eingriffe notwendig, um diese Analogie zu verdeutlichen, OHNE deshalb am Text etwas verändern zu müssen – so unsere Prämisse. 

Zoom als Requisite

Das Theater eröffnet in streng reglementiert Zeiten, Zeiten der Unsicherheit und Zeiten des Umbruchs, mit Mitteln des freien Ausdrucks Handlungsmöglichkeiten, die Angst besänftigen und Mut wieder zurück bringen helfen. Vor Corona schien uns die Angst vor dem eigenen Tod kaum zu bedrängen; heute ist sie als „Angst vor der Seuche“ wie aus heiterem Himmel zurück und auch mitten in unsere Proben eingebrochen. 

Der Tod auf der Hofmannsthal’schen Bühne ist in Wirklichkeit nicht der Tod selbst, sondern unser aller Angst davor. Eine Bot-schaft für uns Angst-besetzte Empfänger, könnte man vereinfachend sagen. Wäre eine passende Antwort auf die Frage frauJEDERmanns, „was bist Du für ein Bot?“, in diesem Kontext vielleicht gar: „(ich) komm unsichtbar als Bot…Allein, FÜRCHTE mich wie den Tod! Ich BIN der Tod. Euer Tod..“

Auch kurzfristig werden wir gegebenenfalls reagieren müssen, indem wir (noch) in verschiedenen Inszenierungen denken. Die ursprüngliche mit voller Bühne, eine andere, in der etwa allein die allegorischen Figuren des Schauspiels GOTT, TOD, TEUFEL, MAMMON, GUTE WERKE und GLAUBE live und in körperlicher Präsenz – in virologisch freigegebener Distanz – auf der Bühne agieren. Und alle menschlichen Figuren wie aus dem Off zugeschaltet sind. Mit Projektionen ihrer Gesichter auf Leinwänden und Bildschirmen, quasi als belebendes Mienenspiel auf die Bühne projeziert , wie wir es in den jüngsten Zoom-Sitzungen bereits  erprobt haben. Oder eben frauJEDERmann als Singularität auf der Bühne in der Symbolik einer Art modernen, realen Echokammer. Das Stück lässt sich in vielerlei Spielarten ausführen und könnte so zudem zeigen, dass Theater niemals „entbehrlich“ sein darf. Unlängst war auf Plakaten in Wiens Straßen zu lesen: „Ohne Kunst sind Augen nichts als Sensoren für Licht!“ Füllen wir also unsere Sinne mit Lust am Spiel gleich welcher Umstände!

Georg Fiala betreibt auch einen eigenen Blog. Es lohnt sich dort hinzuschauen: http://georgfiala.blogspot.com/2021/

Stillstand und Lockdown

(Georg Fiala, 3. April 2020)

Ein winziger unscheinbarer DNA Strang, dessen einzige Funktion es ist, sich durch Reduplikation zu vermehren, legt die ganze Welt in Fesseln. Die uns bekannte, die uns vertraute Welt ändert soeben ihr Gesicht. Notstand allerorten. Kaum ein Lebensbaustein bleibt in diesem Augenblick unverändert…

Das Coronavirus verändert vieles.

Auch frauJEDERmann ist davon betroffen. Die Nerven liegen blank. Aber was könnte uns die aktuelle Krise mit dem Blick auf unser Projekt sagen? Was können andererseits wir mit unserem aktuellen „Theaterblick“ der Welt im Krisenmodus sagen? Erkenntnis geschieht stets im Betrachten und der daraus hervorgerufenen Wahrnehmung. Und hier sei gefragt: Geht es jedem Einzelnen von uns in dieser allmächtigen Krise nicht ein wenig so wie der frauJEDERmann als Hauptfigur unseres Theaterstücks? Wurde nicht auch uns vor wenigen Tagen das gewohnte Leben fast aus heiterem Himmel auf den Kopf gestellt? Nie hätten wir vorher allen Ernstes mit dieser Entwicklung gerechnet. Ganz wie für frauJEDERmann, als sich der TOD ohne vorherige „Anzeig“ zu Wort meldet.
Der Tod ist in diesem Moment in vielen Bildern und noch mehr Nachrichten und Statistiken mitten unter uns getreten.

"Ich will die ganze Welt abrennen
Und sie heimsuchen Gross und Klein,
Die dein Gesetz nit woll'n erkennen
Und unter das Vieh gefallen sein
Der sein Herz hat auf irdisch Gut geworfen,
Den will ich mit einem Streich treffen,
Dass seine Augen brechen
Und er nit findt die Himmelspforten",

sagt der vom POSTBOTEN beförderte TODesbote.

Ist es daher in dieser Situation weit gefehlt, an die Rolle des TODES aus unserem Stück zu denken? Der Gedanke drängt sich förmlich auf. Schliesslich gilt es als gesichert, dass der Coronavirus, der seit den 60er Jahren des 20. Jahrhundert bereits als Kandidat zur Urheberschaft von Pandemien zählt. Der in der aktuellen Mutation, wie in anderen Mutationen zuvor, sein gefährliches Potential entfaltet hat. „Ich komm halt schnell“.

Georg Fiala spielt den POSTBOTEN, der von GOTT als TOD berufen wird.

Noch deutlicher: wie wird man bei einer zeitnahen Aufführung beim TOD nicht an den Virus denken können? Ist die Betrachtung des Stücks für Publikum wie Schauspielerinnen und Schauspieler auf der Bühne eine andere als noch vor der Zeit des Virus? Auch dort geht es um Leben und Tod. Noch sind wir mitten in der Krise und können deren Ende mit allen Auswirkungen nur sehr schwer einschätzen. Bis September ist es noch weit und doch uns „allzu nah“.

In welcher Szene des Stücks befinden wir uns in unserer realen Welt? Vermutlich in der zentralen Sequenz, in der Szene TISCHGESELLSCHAFT. Wir, die Gesellschaft, die Politik, die Wirtschaft, die Experten, die Krankenversorgung – jeder Einzelne von uns ist paradoxerweise um diesen Tisch versammelt und doch auch wiederum nicht. Das Szenario wird täglich neu verhandelt, neu bewertet. Viele neue Ideen, gute wie schlechte, angebrachte und weniger angebrachte, poppen auf in unsere alles umspannende Medienwelt.

Die letzte Probe der TISCHGESELLSCHAFT vor den Lockdown in der Rodauner Werkerei.

Wie wütet der TOD in diesem Spiel? Wie ist es um des TEUFELs Beitrag bestellt? Wer von uns spielt die ARME NACHBARIN? Wer gerät am Ende in den Schuldturm? Wer bezahlt mit seinem Leben? An welchem Tisch sitzen die COUSINEN, welchen Rat erteilt der GESELL? Und MAMMON? Wird es, wie stets im Ausgang von Krisen, auch Nutzniesser geben, die von der Krise der anderen profitieren? Welche Rolle spielt der BUHLER? Was macht FRAU JEDERMANN, die Hugo von Hofmannsthal in Schüttelreimen scharf in den Blick nimmt? Die bis hierhin das Hohelied des Erfolgs singt und alle anderen in angemessener Sippenhaftung wähnt. Was macht das alles mit ihr?

Probe der TISCHGESELLSCHAFT in der Rodauner Werkerei: Noch ahnt hier niemand etwas gut gelaunt von dem nahenden TOD, der bereits am Bühnenrand wartet.

Selbst ein Allmächtiger liesse sich auf dieser Bühne der Allegorien ausmachen. Wer schwelgt derzeit in absoluter Handlungsvollmacht? Unser Blick fällt auf den Staat und seine Repräsentanten. Ausgestattet mit fast uneingeschränkter Machtfülle. Er teilt zu. Er schöpft aus der Fülle. Er steht als Garant dafür, dass wir gemeinsam gut durch diese Zeit kommen. Ist er letzten Endes ein barmherziger, milder, liebender Gott? Ein strafender? Wir dürften es in Bälde erleben.

Es ist kein Spiel mehr. „Nun ist Geselligkeit am End“. Wer jetzt Angst verspürt, verspürt diese Angst zu Recht. Wer jetzt hamstert, hamstert ebenso zu Recht. Wer jetzt allein ist, muss es länger wohl noch bleiben. Wenn dieser Albtraum zu Ende ist, wird in der bekannten Welt wieder einmal alles anders sein als zuvor.

Und doch stimmt dieser Blick nicht uneingeschränkt!

Recht haben wir alle. Selbst – welch ein Glück! – diejenigen unter uns, die weiterhin davon ausgehen, dass sich unser Schicksal alsbald wieder zum Guten wandelt und sich eben doch nicht erschöpft. Diejenigen, die in dieser spektakulären Zeit den Tod nicht scheuen. FRAU JEDERMANN gibt den Ton an: „Was bist Du für ein Bot?… Ausgesandt nach mir? Dem möchte wohl so sein. Ei ja!“ Sie bleibt widerständig. Und kreativ im Verhandeln. „Nur diese Nacht bis Sonnenaufgehn. Dass ich mit Reu mög in mich gehn…“

Roland Stumpf bei Probenarbeiten für frauJEDERmann.

Roland Stumpf als TOD bei einer Probe in der Rodauner Werkerei noch vor dem Lockdown.

Denn der nahe Tod – schauen wir, ein jeder in seiner partikularen Rationalität, doch genau hin –  wird für die überwiegende Mehrheit Aufschub gewähren. Noch sind wir nicht so weit. Noch müssen wir, nein, dürfen und sollten wir weiterhin davon träumen, ein Stück Theater auf die Bühne zu zaubern, das aus unserer Geselligkeit heraus, mit unserem Wohlgefallen füreinander und in Anbetracht unseres Lebensmuts auch diese Krise meistern wird. Nicht der Tod wird das Ende dominieren, sondern der Wille und die Kraft zum Leben. Nach der Krise dürfen wir wieder feiern. Sammeln wir alle Kräfte dafür!

Wünschen wir uns, dass wir bald wieder zusammen kommen können und dass uns – jedem von uns – Gesundheit weiterhin vergönnt bleibt!
Der TOD darf ruhig warten – „Bleib du nur stehn ein Weilchen hier“, selbst wenn er uns beständig hinterher rufen möchte: „Bin immer da, Euch allzu nah“. Wir hören ihn, aber wir leben. Könnte nicht dies „die Lehr vom Inhalt des kostbaren Spiels“ sein, die uns der POSTBOTE in seinem Brief frei Haus zustellt? 

„Dahinter aber liegt noch viel!“

Tod: „Dahinter aber liegt noch viel“

(Georg Fiala, 6. März 2020)

Es ist schon absurd. Da hat FRAU JEDERMANN mit all ihrer Energie ein wohlfeiles Leben geführt, in einer Zeit, die geprägt ist von den Früchten eines langen relativen Friedens und einem damit einhergehenden industriellen Wohlstand. Sie hat den ihren Erfolg begleitenden Absturz ehemals Gleichgestellter ins Lumpenproletariat zu einer Ideologie von der Unschuld des Geldes umdeuten gelernt, den eigenen Wohlstand, erwachsen aus erfolgreicher Spekulation, als Resultat ihrer eigenen Tüchtigkeit sehen wollen. Aber sie treibt, und sie spürt es überdeutlich, ein schlechtes Gewissen aus der realen Welt heraus, hinein in die Phantasien eines romantischen Lustgartens, hinein in die Arme ewig jugendlicher Liebe und ausschweifende Geselligkeit.

Roland Stumpf als TOD, der die Tafel der Tischgesellschaft abräumt. Probenarbeiten im Februar 2020 in der Rodauner Werkerei. Der TOD wird anfangs in seiner Rolle nicht ernst genommen und erkannt. Das macht ihn wütend.

Und jetzt kommt ein BOTE daher und will sie aus diesem Paradies vertreiben. Fordert gar Rechenschaft von ihr und droht mit dem Tod! Was für eine Anmaßung! Sie begegnet dieser unheilvollen Botschaft mit aller Hingabe. Abwehrend, trotzig, mit Mut und Verhandlungsgeschick bietet sie alles auf, was greifbar ist. 

Sie wird scheitern. Der Widerstand ihrer Seele gegen die Kränkung der Vergänglichkeit ist zwar nicht ganz so libidinös getrieben wie die eines Don Giovanni. Aber ebenso resolut und aufbegehrend. Wie die Zusammenhänge wirklich sind, entzieht sich vordergründig dem (Selbst)Bewusstsein, wirkt dennoch stetig und nach – „dahinter aber liegt noch viel“. Jedenfalls gelingt es FRAU JEDERMANN in aller Bedrängnis ihr Herz zu öffnen und den Zugang zu ihren wahren Gefühlen abseits aller Ideologien, ihrem Unbewussten freizulegen. 

FRAU JEDERMANN in der Doppelbesetzung mit Stephanie Pauly und Christina Kohlross stehen Roland Stumpf als TOD gegenüber. „Ganz und gar bin ich unbereit“, sagt FRAU JEDERMANN.

FRAU JEDERMANN entdeckt dabei eine neue Welt, von der sie bis dahin zwar ahnte, dass es die auch irgendwie geben muss, die sie aufgrund anderer, scheinbar viel wichtiger „Beschäftigungen“ bei sich selbst nie zulassen wollte. Es ist die Welt des Gemeinsamen, der Empathie, wahrer und unverstellter Liebe zum Nächsten, zum Mitmenschen. Um diese neue Welt sich selbst zu erschließen war es notwendig aus ihrer alten Welt quasi „wegzusterben“, damit ihre Aufmerksamkeit sich einer gewandelten Wahrnehmung zuwenden kann.

Es ist diese unbändige, thymotische Kraft und die Unbestechlichkeit im Wesen FRAU JEDERMANN, die eine heilbringende Botschaft für den Betrachter des Schauspiels sein könnte. Im Scheitern, im Sterben ihrer „alten“ Natur wird ein neues Selbst geboren, in dem GLAUBE an eine ausgewogene Zukunft und WERKE zum Wohle aller eine Heimat finden können. So, denke ich, wäre das Sterben FRAU JEDERMANNS erfahrbar als Ja zum Leben. Soll sie in unserer Interpretation durch einen TODder als Henker auftritt gerichtet werden? Statt mögliches neues Leben doch nur Tod?

Georg Fiala als TOD und Teil des Regieteams.

Wo bliebe bei unserem Spiel die Hoffnung auf das Unerwartbare? In unserer Interpretation spiegeln wir unserem Publikum nur die Sinnlosigkeit allen menschlichen Bemühens vor Augen; so jedenfalls könnte der Ausgang unseres Stücks verstanden werden. Die Höhen des künstlerischen Schaffens Hofmannsthals, von dem Denken seiner Zeit noch getragen, werden hier der Endgültigkeit menschlicher Erkenntnis aufgeopfert. So wie es – historisch betrachtet – stets geschieht, wenn sich der Mensch als Zeitgeber von Leben und Tod aufschwingt. Es ist wahrlich ein himmelweiter Unterschied auf der Bühne zwischen der Androhung des Todes und dessen Vollzug.

FRAU JEDERMANN Christina Kohlross und TOD Roland Stumpf proben die erste Begegnung zwischen den beiden Figuren. Bei frauJEDERmann wandelt sich der (POST)BOTE dem Auftrag GOTTES folgend zum TOD(ESBOTEN). Eine Rolle die er erst finden, entdecken und ausfüllen muss.

Ein Todesstoss auf der Bühne stünde für diese Symbolik. Im Zentrum abendländischer Kultur sollten als Leidtragende gerade wir sensibilisiert sein, nach all den wirkmächtigen Opfern vergangener Jahrhunderte.
Geben wir unserem Stück doch wieder etwas Luft zum Atmen. Statt (hin)gerichtet zu werden auf dem Leichenwagerl menschlichen Maßes, sollte frauJEDERmann für Ihren Mut und ihrer Hingabe drohender Endlichkeit Widerstand zu bieten, belohnt werden und Himmelspforten gerade für Lebenskraft wie der ihren offen stehen. 
Es sind in der Tat nur wenige Schritte bis zum Tempel Gottes. Auch auf unserer Bühne. Ohne Opfer allerdings findet nichts und niemand Zugang – „und sie nit finden die Himmelspforten – es sei denn‘?“ Die Antwort auf diese Frage Gottes kann nur lauten: in einem persönlichen Opfer, wie es uns bereits seit der Zeitenwende als ewiger Spiegel vorgehalten wird. Aber wer von UNS wäre schon bereit dort hinein zu blicken, wenn nicht ausgerechnet FRAU JEDERMANN?
Nichts anderes kann ein wirklich barmherziger Gott wollen. Oder es gibt ihn tatsächlich nicht. Quod erat demonstrandum. Mit welcher Absicht sollte GOTT den Menschen sonst Todesengel zur Seite stellen wollen?

Es braucht lediglich wenige dramaturgische Änderungen, um die Hoffnung auf eine Stunde Aufschub nicht sterben zu lassen. Es wäre doch im Stück bereits alles notwendige gesagt; soll doch jeder einzelne Zuschauer nach Hause gehen und für sich das passende Ende finden…

Alle zusammen! Erste gemeinsame Probe

(Marcus Marschalek, 24. November 2019)

Wir sind erfüllt von den Eindrücken und Erlebnissen unseres ersten großen frauJEDERmann Probenwochenendes. Ein toller Moment, wie sich unser Probenraum, ein Turnsaal in St. Elisabeth, mit vielen bunten Gestalten gefüllt hat und die Größe unseres Teams erstmals real sichtbar und erfahrbar wurde. Manches muss man einfach sehen und erleben, um es zu begreifen. 

Genauso geht es vielen Menschen aber auch mit dem Text von Hugo von Hofmannsthal. Man kann ihn oft lesen, auswendig lernen, rezitieren. Doch erst beim Spielen, beim dialogisch auf die Bühne Bringen, entfaltet er für uns nach und nach seine ganze Tiefe und Kraft.

Bei uns allen ist die Lust und der Eifer geweckt. Wir wollen eine beeindruckende und bemerkenswerte Produktion auf die Bühne stellen und hier in der Gruppe wird auch klar, das verlangt noch viel Übung und Training. 

Das Regieteam war kreativ und hat die Inszenierung mit vielen Ideen und Einfällen “beglückt”. Spektakuläre Effekte, die präzisiert werden müssen und in spätestens zehn Monaten wie ein Uhrwerk ablaufen sollen.  Das alles wird uns viel Mühe und Fleiß kosten. Für welchen Lohn? Alle im Team arbeiten ehrenamtlich! 

Johanna Hoblik und Markus Gold bei  Probenarbeiten für die Theaterproduktion frauJEDERmann.

Doch jeder hat so seine ganz privaten Motive, für die er das Alles auf sich nimmt. Sei es die Liebe und Begeisterung für Hofmannsthals Texte, oder die Chance, bei einer großen professionellen Produktion mit dabei zu sein, wieder andere frönen ihrem Beruf und Hobby: Schauspielen. Doch für uns alle ist das Arbeiten an den Rollen und Figuren, die wir auf der Bühne verkörpern, ein an die Grenze gehen, Schranken ausloten und den Horizont erweitern – im Lachen und Weinen. Im Team gemeinsam auf dem Weg zu sein, zu geben und zu nehmen, ist eine zutiefst menschliche und beglückende Erfahrung, die wir hier machen können und die all den Aufwand wert ist. Erfahrungen, die wir auch mit unserem Spiel an unser Publikum weitergeben wollen.

Der “Dampfer” frauJEDERmann hat nun abgelegt und ist in voller Fahrt auf See. Ankunftsdatum: 4. Sept. 2020. 19.30 Uhr am Rodauner Kirchenplatz, 1230 Wien.