Wir nehmen wieder Fahrt auf!

(Georg Fiala, 20. Februar 2021)

Im Projekt frauJEDERmann nehmen wir erneut Fahrt auf. Zunächst noch etwas unsicher, gewissermaßen in kleinen digitalen online Schritten. frauJEDERmann online? Proben wir tatsächlich noch dasselbe Stück wie vor Corona? Als hätte sich im letzten Jahr nichts, und zwar einen neuen Grund legend, verändert? Das reale Leben zum Schutz von Lebensjahren möglichst auf vier Wände beschränkend, maskenbewehrt, feiert jetzt die virtuelle Welt immer mächtiger Auftritte, wie es scheint. Und wir? Wollen wir, können wir realiter zurück auf unsere alte analoge Bühne? 

Von März 2020 bis Februar 2021 hat sich frauJEDERmann digitalisiert. Onlinemeetings, Onlineproben, Onlineparty!

Gesetzt den Fall, dass die einjährige Furcht bald „weggeimpft“ sein wird; welcher Zuschauer würde sich in diesem Fall, wie vor dem Fall noch, motiviert vor eine analoge Bühne ohne digitale Aufmachung setzen wollen? Noch ist es nicht mehr als eine schmale Hypothese; aber hat sich an unserer Zivilisation nicht innerhalb des letzten Jahres eine bahnbrechende Veränderung ereignet? Die wir erst in Analogie vom Sterben der reichen frauJEDERmann – im Spiel nun – neu zu verstehen lernen müssen? Und wenn ja, müsste diese Veränderung nicht auch unsere Inszenierung grundsätzlich neu herausfordern? 

Es ist zu früh, sogleich mit gut gemeinten Vorschlägen zu kommen. Dennoch sollten wir uns offen und eingehend darauf einlassen, wie das Geschehen der Pandemie in unserem Stück deutlicher Ausdruck finden könnte. Theater ist lebendig. Zeitgemäß und niemals unverändert von einer Aufführung zur nächsten, von einer Interpretation zur anderen, von der einer Rezeption zu einer weiteren. 

Katharina Sponner (DICKE COUSINE) bei einer Onlineprobe

Im klassischen antiken Theater gab es die innovative Vorrichtung des deus ex machina. Wenn es im Spiel auf der Bühne zu tragischen, ausweglosen Situationen kam, dann griffen (meist) Götter als Figuren unvorhersehbar ins Spiel ein, die mittels eines Kranes hinter den Bühnenbauten auf das Proszenium gehievt wurden. Um dem Geschehen eine gänzlich neue Wendung zu geben. 

In Analogie wäre es in unserem Stück der BOT, der „in den heiteren Himmel“ frauJEDERmanns wie ein deus ex machina einbricht, indem er sich zum TOD wandelt, wie ein unscheinbarer Virus in den alles vereinnahmenden Covid-19. Gehört nicht gar eine zusätzliche, allegorische Spielfigur COVID zu unserem Spiel vom Sterben? Als stummer Zeuge? COVID ikonisch und provokant: ein BOT? Kaum kommt der TOD auf der Bühne frauJEDERmann näher verliert sie ihren Atem. Sollte dieser Umstand nicht einen noch viel stärkeren Bezug in unserem Stück zur aktuellen Situation nehmen?

Vielleicht wären nur einige wenige inszenatorische Eingriffe notwendig, um diese Analogie zu verdeutlichen, OHNE deshalb am Text etwas verändern zu müssen – so unsere Prämisse. 

Zoom als Requisite

Das Theater eröffnet in streng reglementiert Zeiten, Zeiten der Unsicherheit und Zeiten des Umbruchs, mit Mitteln des freien Ausdrucks Handlungsmöglichkeiten, die Angst besänftigen und Mut wieder zurück bringen helfen. Vor Corona schien uns die Angst vor dem eigenen Tod kaum zu bedrängen; heute ist sie als „Angst vor der Seuche“ wie aus heiterem Himmel zurück und auch mitten in unsere Proben eingebrochen. 

Der Tod auf der Hofmannsthal’schen Bühne ist in Wirklichkeit nicht der Tod selbst, sondern unser aller Angst davor. Eine Bot-schaft für uns Angst-besetzte Empfänger, könnte man vereinfachend sagen. Wäre eine passende Antwort auf die Frage frauJEDERmanns, „was bist Du für ein Bot?“, in diesem Kontext vielleicht gar: „(ich) komm unsichtbar als Bot…Allein, FÜRCHTE mich wie den Tod! Ich BIN der Tod. Euer Tod..“

Auch kurzfristig werden wir gegebenenfalls reagieren müssen, indem wir (noch) in verschiedenen Inszenierungen denken. Die ursprüngliche mit voller Bühne, eine andere, in der etwa allein die allegorischen Figuren des Schauspiels GOTT, TOD, TEUFEL, MAMMON, GUTE WERKE und GLAUBE live und in körperlicher Präsenz – in virologisch freigegebener Distanz – auf der Bühne agieren. Und alle menschlichen Figuren wie aus dem Off zugeschaltet sind. Mit Projektionen ihrer Gesichter auf Leinwänden und Bildschirmen, quasi als belebendes Mienenspiel auf die Bühne projeziert , wie wir es in den jüngsten Zoom-Sitzungen bereits  erprobt haben. Oder eben frauJEDERmann als Singularität auf der Bühne in der Symbolik einer Art modernen, realen Echokammer. Das Stück lässt sich in vielerlei Spielarten ausführen und könnte so zudem zeigen, dass Theater niemals „entbehrlich“ sein darf. Unlängst war auf Plakaten in Wiens Straßen zu lesen: „Ohne Kunst sind Augen nichts als Sensoren für Licht!“ Füllen wir also unsere Sinne mit Lust am Spiel gleich welcher Umstände!

Georg Fiala betreibt auch einen eigenen Blog. Es lohnt sich dort hinzuschauen: http://georgfiala.blogspot.com/2021/