(Marcus Marschalek, 15. Juli 2019)
Die sonst sehr verlässlichen Google Maps bringen bei den Grenzen von Kalksburg, Mauer und Rodaun ein bisschen etwas durcheinander und legen einige der Wiener Ortsteile nach Perchtoldsdorf. Das ist aber nicht so schlimm, sind Grenzen doch etwas sehr menschlich Willkürliches. Auch wenn Google also etwas Anderes behauptet: Der Kalksburger Friedhof liegt an den Grenzen zu Rodaun und Mauer, mitten im Grünen, umringt von Weinbergen, Wiesen und einem Wald. Ein friedlicher Ort mit Sicht auf die nahe Rodauner Bergkirche, wäre da nicht ausgerechnet heute, am 90. Todestag von Hugo von Hofmannsthal, ein fleißiger Bauarbeiter, der mit Pressluft und dazugehörendem Werkzeug einen Grabstein bearbeitet. Statt Totenstille also heute “Höllenlärm” am Friedhof.

Das Grab von Hugo von Hofmannsthal ist schnell gefunden. Vom Eingang immer geradeaus leicht bergan, bis man hinten an der Friedhofsmauer anstößt. Dort hat die Familie Hofmannsthal ihr Grab.
Es waren dramatische Umstände damals, als Hofmannsthal am 15. Juli 1929 starb. Sein Sohn Franz hat sich zwei Tage zuvor mit 26 Jahren das Leben genommen. Als sich Hofmannsthal zum Begräbnis fertig machte und zur Bergkirche Rodaun gehen wollte, hatte er einen tödlichen Schlaganfall.

Hugo von Hofmannsthals Urgroßvater Isaak Löw Hofmann (1759–1849) war Jude und erfolgreicher Industrieller, sein Großvater Augustin Emil von Hofmannsthal (1815–1881) konvertierte zum katholischen Glauben. Hugo von Hofmannsthal sah sich selbst dann als katholischer Aristokrat, verleugnete seine jüdischen Wurzeln und ließ sich auch immer wieder zu judenfeindlichen Bemerkungen hinreißen. Dennoch bezeichnen viele Hofmannsthal als jüdischen Intellektuellen. Auf seinem Grab werden, dem jüdischen Brauch entsprechend, auch immer wieder Steine abgelegt.
Was hat diesen Hugo von Hofmannsthal damals bewegt? Warum hat er sich mit dem uralten Jedermann-Stoff auseinandergesetzt? Was war sein Anliegen, sein Gottesbild hinter dem Text? Und welche Schlüsse hat er selbst daraus für sein Leben gezogen?
Und jetzt macht der Bauarbeiter zum Glück eine Mittagspause. Die Sonne scheint grell vom blauen Himmel, auf dem ein paar weiße Fadenwolken aufziehen. Der Friedhof wird zum stillen, ruhigen, friedlichen Ort. Und mir wird klar, im “Jedermann” geht es weniger um die eschatologischen Dinge, sondern vielmehr ums Hier und Jetzt.